Bericht: Rückblick zum Elternseminar mit dem Thema „Werte“ der El-dro-ST e.V. – Die Elternselbsthilfe drogengefährdeter und drogenabhängiger Söhne und Töchter für Karlsruhe und Umgebung e.V.

Das Selbsthilfebüro der Paritätischen Sozialdienste in Karlsruhe veröffentlicht für Selbsthilfegruppen und Freunde der Selbsthilfe aus dem Stadt- und Landkreis Karlsruhe folgenden Beitrag:

EL-dro-ST-Elternseminar mit Coach Roland Schilling zum Thema „Werte“ in der Jugendfreizeit- und Bildungsstätte Bärenthal 2024 von Freitagnachmittag, 11.10.2024 – Sonntagnachmittag, 13.10.2024

Agenda

Freitagabend:  Erwartungshaltungen, Fragen, Themenwünsche

Samstagvormittag:  Werte: Definition, Entstehung, Nutzen von Werten

Samstagnachmittag: Wertekonflikte

Sonntagvormittag:  Veränderung von Werten „Wie kann das Loslassen von Wertvorstellungen gelingen?“ – „Mit welchen Werten fahre ich nach Hause?“

Zunächst heißt der Seminarleiter Roland Schilling die anwesenden Eltern willkommen und stellt sich vor.

Er ist seit den 80er Jahren mit der Eltern-Selbsthilfegruppe EL-dro-ST verbunden, damals arbeitete er im Sozialen Dienst der AOK und kam erstmals mit EL-dro-ST in Verbindung, seit 2011 begleitet er als Fachmann die Elternseminare in Bärenthal. Er ist in der systemischen Familientherapie zuhause und nutzt diesen Ansatz in seinen Seminaren. In seinem Berufsleben war er u.a. 15 Jahre in der Reha-Klinik Freiolsheim tätig, später als Suchtbeauftragter in Pforzheim, seit 2011 arbeitet er freiberuflich in der Supervision und als Therapeut. Aufgrund seiner langjährigen beruflichen Erfahrung ist er Experte für Veränderungsprozesse. Roland bezeichnet sich selbst als „selbstständiger Teilzeitrentner“.

Erste Arbeitsphase: Erwartungshaltungen der Teilnehmenden (Freitagabend)

In einer ersten Plenumsrunde nähern sich die Anwesenden im offenen Gespräch dem Thema „Werte“ ganz allgemein. Die wenigsten haben eine konkrete Erwartungshaltung an das Seminar, alle sind aber überzeugt, dass die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema, gepaart mit der Expertise von Roland Schilling, ihnen neue Perspektiven eröffnen kann und sie Konfliktlösungen näherbringen wird. Der Grundtenor an diesem Abend lautet: „Ich freue mich, hier sein zu können, und ich bin mir sicher, dass ich am Sonntag mit mehr Wissen heimgehen werde.“

Die Gruppe sammelt Themen, die ihr im Seminar wichtig sind: Familienwerte/-konflikte, generationenübergreifende Werte bzw. Wertemangel, Ambivalenz, Loslassen, Techniken des Loslassens, Klarheit über individuelle Werte, Sich-Abgrenzen gegenüber anderen Wertvorstellungen, Wertehierarchien (Welches sind zentrale Werte für mich?), Wertepool, Nutzen von Werten.

Zweite Arbeitsphase:  Themenarbeit Definition, Entstehung und Nutzen von Werten (Samstagvormittag)

Der Seminarleiter erläutert am Samstag zunächst, dass es im Seminar um rein immaterielle Werte geht. Dann werden eine halbe Stunde lang in zwei Gruppen folgende Fragen diskutiert und erarbeitet:

Wie definiere ich Werte?

Wie entstehen Werte und wofür eigentlich?

Anschließend präsentieren und erläutern die SeminarteilnehmerInnen ihre Arbeitsergebnisse in der Großgruppe auf dem Flipchart.

Die Frage „Wie definiere ich Werte“ beantwortet Gruppe 1 wie folgt:

*innere Überzeugungen *Lebensregeln,-gesetze *Glaubensgrundsätze *Lebensvorstellungen *Lebensbegleiter / Überlebensbegleiter *Lebenserfahrungen *Wertvorstellungen / Wertewandel *Regeln des Zusammenlebens *Anspruch an sich und die Gesellschaft *Tugenden *Kant: Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde *kulturelle Prägungen *Weitergeben von Erfahrungen (der Vergangenheit) *Funktionsanleitung

=> Lebensbegleitende und -bestimmende Überzeugungen

Die Fragen „Wie entstehen Werte und wofür eigentlich?“ beantwortet Gruppe 2 wie folgt:

*Als Regeln für die Gesellschaft/Gemeinschaft

*Werte könne unterschiedlich ausgelegt werden

*Bedarf =>Regeln =>Wert => Gerüst, Rahmen => …

Eine intensive, angeregte Diskussion schließt sich an, und es kristallisiert sich heraus, dass Regeln der Überbau von Werten sind, Werte finden ihre Ausformung in Regeln und Gesetzen (z.B. Kopftuchzwang, Respekt vor Autoritäten).

Wie so häufig stellt sich auch hier die Frage nach der Henne-Ei-Problematik: Gibt es zunächst Werte, aus denen wir Regeln und Gesetze entwickeln? Oder formulieren wir erst Regeln und Gesetze und erkennen erst anschließend, welche Werte ihnen zugrunde liegen?

Nach einer halbstündigen Pause vertieft und veranschaulicht Roland Schilling in einem weiteren Schritt das Thema. Er nennt drei Entstehungsmöglichkeiten von Werten. Zunächst entstehen Werte auf der Basis von eigenen Erfahrungen, meist durch Reflexion. So entwickeln wir Konfliktlösungsstrategien, geben uns Gesetze, lernen Kooperation und Mediation.

Eine weitere Quelle von Werten ist die Gesellschaft als Rahmen unserer Werteprägung und -erfahrung.

Als Letztes ist der Einfluss der Familie auf Kinder zu nennen, ebenso wie die Werteprägung durch vorhergehende Generationen, die das Wertefundament legen. Der Elterneinfluss nimmt heutzutage stetig ab und das in immer früherem Alter. Heute übernehmen Peergroups und Soziale Medien die Rolle der Eltern. Die meisten Werte übernehmen wir durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, mit der wir uns identifizieren. Dies kann auch zu Wertekonflikten führen, z.B. im Fall von Selbstmordattentätern oder bei häuslicher Gewalt.

In einer Einzelarbeitsphase überlegen und notieren die Eltern, was ihre individuellen Werte sind und wofür ihnen diese Werte wichtig sind. In Zweiergruppen tauschen sie sich danach über ihre Vorstellungen aus.

Die Mittagspause gibt Raum zum Mittagessen, Ausruhen, Schlafen, Spazierengehen, zum gemeinsamen Kaffeetrinken und Kuchenessen.

Dritte Arbeitsphase:  Wertekonflikte (Samstagnachmittag)

Eine Wertediskussion in der Großgruppe bestimmt weite Teile des Samstagnachmittags ab 15 Uhr. Es werden verschiedene individuelle Werte und Problematiken diskutiert, ein Bewusstsein für persönliche Bewertungen geschaffen, die Werte werden gewichtet und individuell in Rangfolgen gebracht.

Roland Schilling veranschaulicht die Thematik mit der Metapher der Schatztruhe. Man könnte auch von einem Wertecontainer mit drei Kategorien sprechen.

Kategorie eins beinhaltet nicht verhandelbare Werte, an denen wir unter allen Umständen festhalten.

Kategorie zwei umfasst emotional sehr wichtige, tief verwurzelte, identitätsstiftende Werte. Diese sind nur ganz bedingt verhandelbar.

Kategorie drei enthält wandelbare, verhandelbare Werte, die uns eine Zeitlang begleiten.

Es ist sinnvoll, dann und wann zu überprüfen, ob für uns immer noch dieselben Werte gelten und ob sie nach wie vor unverhandelbar sind. Schwierig wird die Lebensgestaltung nämlich dann, wenn wir zu viele nicht verhandelbare Werte haben.

Wertekonflikte

Wertekonflikte entstehen auf vielerlei Ebenen und oft in Beziehungen. Eine Person, die stets sparsam ist und sich nicht einmal im Urlaub etwas Besonderes gönnt, stößt beim Partner oder der Partnerin vermutlich auf Unverständnis wegen ihres Geizes (externer Konflikt).

Doch auch im Inneren einer Person können Konflikte schwelen, wenn Werte miteinander konkurrieren. So kann etwa eine Person, auf deren Werteskala Treue an oberster Stelle steht, darunter leiden, dass sie ihr Bedürfnis nach Freiheit unterdrücken muss (interner Konflikt).

Die Gruppenmitglieder widmen sich in einer 20-minütgen schriftlichen Einzelarbeitsphase dem Thema „Wie erlebe ich Wertekonflikte?“

Im Anschluss daran tauschen sie sich in Kleingruppen darüber aus, wie sie individuell mit Wertekonflikten umgehen, welche hilfreichen Erfahrungen sie bereits in ihrer Schatztruhe haben und was sie noch herausfordernd finden. Themen, die hierbei immer wieder auftauchen, sind Eltern-Kind-Konflikte, besonders auch die Pflege der eigenen hochbetagten Eltern, persönliche Autonomiebedürfnisse, Anspruchsdenken der Mitmenschen/Familie etc.

Vierte Arbeitsphase: Veränderung von Werten (Sonntagvormittag)

Am Sonntagvormittag vertiefen sich die Teilnehmenden in die Fragestellung „Was ist hilfreich, um Werte zu verändern?“.

Anstöße, die uns zu Veränderungen führen können, sind vielfältig: emotionale Impulse von außen oder von innen, sich ändernde Umstände, Austausch mit anderen, Rituale und das Einüben neuer Verhaltensmuster. Um das Loslassen alter Werte zu erleichtern, könnte man sich ganz bewusst von seinem alten Wert verabschieden, ihn würdigen, ihm danken und ihn dann mit Liebe und Achtung gehen lassen.

Wichtig zu wissen: Das Aufgeben von bisher grundlegenden Werten kann große Verunsicherung auslösen. So kann es z.B. vorkommen, dass man eine Zeitlang wie im luftleeren Raum schwebt, wenn man alte Familienwerte über Bord geworfen hat und noch keine neuen Werte den Platz eingenommen haben. Auch lange Entscheidungsphasen können anstrengend sein und einen zur Passivität zwingen. Hier gilt es, Ambivalenzen zuzulassen und sich Zeit zu geben; mit Zuversicht abwarten können ist ein Zeichen von emotionaler Kompetenz.

In einer letzten Einzel- und Kleingruppenarbeit befassen sich die Anwesenden mit den Fragen, welche Werte ihnen noch/weiterhin wichtig sind und was jede/r loslassen will.

Zu berücksichtigen ist in diesem Kontext auch die Problematik, wie sich die angestrebten Veränderungen möglicherweise auf das persönliche Umfeld auswirken könnten.

Je nach Gruppe wurden unterschiedliche Themen wie Umbruch durch Ruhestand, sexueller

Missbrauch, Drogenabhängigkeit u.a. in vertraulicher Atmosphäre besprochen.

Gegen Ende des Seminars ermuntert Roland Schilling die Gruppe zu kleinen Veränderungsschritten im Alltag. Als bildhaften Vergleich benutzt er das Strickmuster, bei dem sich eine Masche verändern lässt, ohne dass die Textur oder das Gesamtbild dadurch beeinträchtigt wird. Eine Masche zu verändern trauen wir uns zu, selbst im durchgetakteten Alltag, und sie kann unter Umständen der erste Impuls für weitere Schritte sein und zumindest Erleichterung bringen. Selbstabwertung beraubt uns der Energie, die wir für dringendere Aufgaben brauchen. Daher sollten wir bei der Klärung wichtiger Fragen in unsere Schatztruhe der Werte schauen und uns unserer darin vorhandenen Ressourcen und Stärken vergewissern.

„Handeln ist eine Wette auf die Zukunft“ – mit diesen hoffnungsvollen Worten beenden die Teilnehmenden und der Seminarleiter Roland Schilling das Baerenthal-Wochenende 2024 am Sonntagmittag.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen und dem Aufräumen und Fegen des Seminarraumes macht sich die EL-dro-ST-Gruppe am Spätnachmittag auf den Nachhauseweg.

Protokoll: Ute Lührs

Karlsruhe, den 22.10.2024


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